Männer sind wie Maultiere

Auf vielfachen Wunsch: Hier meine Geschichte aus der Lesung vom 02.Dezember 2017 bei Winzer Josef Simon: „Männer sind wie Maultiere“

MÄNNER SIND WIE MAULTIERE

„Sind wir hier richtig?“ Mein Mann und ich fahren auf unserer griechischen Urlaubsinsel eine Straße entlang. Es gibt keine Abzweigungen. Wir sind dieselbe Straße ohne Abzweigungen gekommen. Wir haben den Strand angeschaut, entschieden, dass er für einen längeren Aufenthalt nicht taugt, und fahren jetzt die bekannte, Abzweigungs- und Alternativlose Straße zurück zur Hauptstrasse. Und mein Mann fragt etwa auf halbem Weg: „Sind wir hier richtig?“
Etwas später haben wir einen schönen Strand gefunden. Da mein Mann etwas einsilbig wirkt, frage ich ihn: „Ist irgend etwas?“ Er setzt sich umständlich, sagt: „Naja.“ Und dann: „Wir haben uns verloren.“

Hollywood macht’s vor

In einem amerikanischen Film wäre dies der Beginn eines großen Melodrams. Kevin Costner entdeckt nach 20 Jahren Ehe, dass er und seine Frau sich nichts mehr zu sagen haben. Er verlässt sie, das spaltet den gemeinsamen Freundeskreis des Paares und verwirrt die Kinder. Wenn Michelle Pfeiffer seine Frau spielt, kehrt er am Ende zu ihr zurück, doch sie ist während seiner Abwesenheit unheilbar erkrankt und haucht ihr Leben in seinen Armen aus. Spielt Sandra Bullock die Frau, dann hat sie erst eine sehr harte Zeit und muss mühsam lernen, allein zurecht zu kommen, doch am Ende ist sie total lustig drauf und angelt sich einen zehn Jahre jüngeren Liebhaber.

Soweit der Film. In unserem Leben war es anders, mein Mann hatte mir nämlich erst vor einer Woche gesagt, dass dies einer der besten Urlaube seit langem sei, weil wir uns so gut verständen. Der Satz „wir haben uns verloren“ stellte daher nicht unsere gesamte Beziehung in Frage, sondern bezeichnete schlimmstenfalls eine graduelle Verschlechterung gegenüber dem sieben Tage zuvor so gelobten Hochplateau. Ungefähr so, als ob man bei einer Wanderung ein wenig vom Weg abgekommen ist, aber prinzipiell gute Chancen hat, abends rechtzeitig die Hütte zu erreichen.

Weibliche Hirne denken kompliziert

Nun sind weibliche Hirne allerdings nicht so übersichtlich konzipiert wie das Straßensystem auf einer griechischen Insel. Es gibt nicht nur eine Hauptstraße, von der ab und an eine kleine Nebenstraße abzweigt, die entweder zu einem Strand oder einem Aussichtspunkt führt. Es gibt zahlreiche Abzweigungen und Verästelungen, Sackgassen, Wege, die im Kreis führen, und Strecken, die sich noch im Bau befinden und von denen die Frau selbst nicht weiß, wie weit sie schon belastbar sind. Kurzum, wenn ein Mann glaubt, den Kontakt zu seiner Partnerin und die Orientierung in ihrem Gefühlsleben vorübergehend verloren zu haben, tut er gut daran, nach dem Weg zu fragen.
Mein Mann fragte nicht. Er setzte sich in den Sand, sagte „wir haben uns verloren“ und starrte zwei Stunden schweigend aufs Meer.

Steinzeitfrau, Steinzeitmann

Wie alles in der Beziehung zwischen Mann und Frau erklärt sich auch dies aus der in die Urzeit zurückreichenden genetischen Prägung. Die Frau war Sammlerin, sie diskutierte mit anderen Frauen darüber, wo die frischesten Früchte und besten Beeren zu finden seien, und das tut sie heute noch, bloß dass es mittlerweile um günstige Designerklamotten und schicke Schuhe geht. Frauen fragen, um etwas herauszufinden.
Männer fragen erst mal gar nicht. Der Mann ging auf die Jagd, schweigend, um nicht die Tiere zu verschrecken. Per Handzeichen einigte er sich mit den anderen Männern, welches Tier sie erlegen wollten. Erst wenn die Männergruppe den Bock geschossen hatte, wenn sie ihn schulterte und gemeinsam nach Hause trug, brach beim Mann das Bedürfnis nach sozialem Kontakt durch. Dann fragte Mann eins: „Haben wir den richtigen Bock geschossen?“ Wohlgemerkt, der Bock war so groß und die Männergruppe so klein, dass sie nur diesen einen Bock tragen konnten. Es gab also zu diesem Zeitpunkt keine Alternative mehr, und aus der Sicherheit der Einbahnstraße heraus fragte Mann eins: „Haben wir den richtigen Bock geschossen?“ Mann zwei antwortete, wenn er gut drauf war: „Der ist schon recht, der ist richtig groß.“ War Mann zwei nicht so gut drauf, sagte er: „Naja, der ist ziemlich groß, aber im Nachbarwald habe ich einen noch größeren gesehen.“ Darauf Mann eins: „Den erlegen wir morgen.“ So entstand der Konkurrenzkampf, aber das ist eine andere Geschichte.

Frauen fragen, Männer wissen

Zurück zu dem Verhältnis zwischen Mann und Frau. Männer fragen, wenn sie die Antwort bereits kennen oder sie keine Rolle spielt. Vor der verwirrenden Vielfalt der weiblichen Antwortmöglichkeiten – „die besten Beeren gibt es drei Schritte vom großen Olivenbaum entfernt, du kannst fünfzig Schritte vom mittleren Hügel hinab laufen und auf dem Weg noch ein paar Yakwurzeln ausgraben, sofern du es nicht vorziehst, den längeren Weg vom rechten Hügel zu nehmen und dabei das Fallobst aufzusammeln“ – also vor dem kompliziert gestalteten weiblichen Gehirnlabyrinth kapitulieren Männer. Sie fragen dann lieber gar nicht, sondern tasten sich stoisch schweigend vorwärts.
Für die Frau ist die Beziehung das Ergebnis permanenter kreativer Tätigkeit, sie modelt ständig daran herum und versucht etwas zu verbessern, sie bucht Romantikwochenenden im Wellnesshotel und Tantrakurse auf Ibiza. Das überfordert den Mann. Für ihn ist die Beziehung wie das Wetter: Einfach da. Es regnet? Die Partnerin hat schlechte Laune? Da kann Mann nichts machen, da hat Mann keinen Einfluss drauf, also lohnt es nicht, Fragen zu stellen. Wird schon von selber wieder besser werden.

Immer freundlich piepen

Ich habe mich daran gewöhnt, dass mein Mann mir nur Fragen stellt, wenn die Antwort absolut bedeutungslos ist. „Sind wir hier richtig?“ – wenn es nur eine Straße gibt. Für die soziale Rückversicherung ist nicht wichtig, was ich antworte, sondern nur, dass ich antworte. Das ist so wie mit den kleinen Gänsen bei Konrad Lorenz, die nachts piepten, um zu fragen „Bist du noch da?“, und Lorenz piepte zurück, das hieß „Ja, ich bin noch da.“ Mein Mann piept: „Soll ich das blaue oder das graue T-Shirt anziehen?“ „Soll ich eine zweite kurze Hose einpacken?“ Und ich habe mittlerweile gelernt, auf solche Fragen irgendwas zurückzupiepen.
Männer verstehen nicht, dass Frauen Fragen stellen wie „Liebst du mich noch?“ Eine Frau würde darauf antworten: „Ich liebe dich zwar immer noch, aber etwas weniger als vor drei Jahren, allerdings mehr als vor einem Jahr, doch was mich im Moment mit Freude erfüllt ist die Hoffnung, dass ich dich eines Tages wieder so lieben könnte wie vor acht Jahren, als wir uns kennengelernt haben.“ Ein Mann antwortet auf die Frage „Liebst du mich noch?“ – „Wieso, ich sitze doch hier auf dem Sofa.“ Ein Mann glaubt, es sei Liebesbeweis genug, wenn er nach der Arbeit abends heimkehrt und den Schlüssel ins Schloss steckt.
Eine gute Freundin von mir leidet genau wie ich in ihrer Beziehung unter der totalen Abwesenheit von Komplimenten, Aufmerksamkeiten und Liebesbekundungen. Aber ihr Mann ist, genau wie meiner, absolut treu. Wir haben uns deshalb auf folgende Formel geeinigt: Unsere Männer sind wie Maultiere. Sie trotten nur langsam voran, aber sie laufen niemals weg. Und wenn das Maultier den Kopf zu mir umwendet, muss ich aufmunternd piepen.

 

 

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