Ein einzelner Klavierton schlägt rhythmisch gegen das Trommelfell, dann erklingt als einzige Melodie-Linie die Stimme von Henning May: „In meinem neuen Zimmer“.
Diese Kombination des immer selben Klaviertons mit den Worten ist wie Händeklatschen zu A-Capella-Gesang. Da ist jemand so von der Rolle, dass er monoton auf immer dieselbe Klaviertaste hämmert.
Plätze getauscht, Rollenwechsel?
Geradezu erlösend wirkt es, als endlich das Schlagzeug einsetzt und mit dem Wechsel zwischen Trommel und Becken deutlich mehr Klangvielfalt bietet. Als ob Schlagzeuger und Pianist die Plätze vertauscht hätten: Das Klavier für den – immer gleichen – Rhythmus zuständig, das Schlagzeug, unterstützt vom Bass, für die Melodie.
Zeit des Umbruchs
„Jetzt hilft mir die Glühbirne beim Sachen Suchen, weil ich die festen Plätze erst noch finden muss“: Das Lied der Band AnnenMayKantereit beschreibt eine Umbruchsituation, jene instabile Phase, da eine alte Lebensordnung verlassen wurde und eine neue noch nicht gefunden ist. Der monotone Klavierton ist nervtötend und doch das einzige, woran der Sänger sich in den von Schlagzeug und Bass repräsentierten Gefühlsstürmen festhalten kann. Da droht einer unterzugehen und hält sich als letztem Anker fest an einer Routine, an diesem verdammten Klavierton.
Schöne Wurst, AnnenMayKantereit benötigen nur ein einziges Lied für die Beschreibung jener Krise, die Thema meines Romans „Geheime Fluchten“ ist.
Wiederholung prägender Motive
Manche Leser haben mir gesagt, das immer wieder neue und immer wiederholte Anstoßen bestimmter Motive sei ein wenig nervtötend: Wie ich Jakob nachrenne, obwohl ich doch weiß, niemals ans Ziel gelangen zu können. Ok Leute, das ist halt mein Klavierton. Und ich brauche leider 270 Seiten, bis ich mein neues Zimmer so halbwegs eingerichtet habe, meine Schriftstellerexistenz.
Das ist nun mal der Unterschied zwischen mir als kleiner Schreiberin und Poetengott Henning May: Er bringt die Dinge rascher auf den Punkt. Mit Musik geht alles besser, wussten schon die alten Römer. Henning May braucht ja auch nur DREI Worte, um den Kern künstlerischer Existenz zu beschreiben: „Barfuß am Klavier“. Und guckt ihr mal bitte auf meinen Titel hier? VIER Worte.